Eines der größten Innovationshemmnisse ist ein zuviel an Kompetenz. Wer als Experte enorm viel weiß, neigt dazu, alles sofort auf Machbarkeit zu prüfen. Dieser blitzschnelle Lösungsabgleich hat jedoch einen Haken: Verrückte Ideen, die auf den ersten Blick als vollkommen untauglich scheinen, liefern häufig den entscheidenden Durchbruch für einen komplett anderen Ansatz.
Wer hätte jemals gedacht, dass ein Zyklon aus der Industrie ein taugliches Mittel für einen Staubsauger wäre, wie es James Dyson vorschwebte? Oder dass sich Gäste in einem Restaurant das Essen auf einem Transportband wie bei der Gepäckabfertigung im Flughafen an den Tisch bringen lassen könnten, wie es die Sushi-Factory vorgemacht hat? Ein ausgewiesener Experte würde viele derartiger Ideen ablehnen: zu aufwändig, unrealistisch, nicht umsetzbar.
Es ist eine Haltungsfrage. Wer lernt Vorschläge anzunehmen und weiterzuentwickeln, statt sie sofort zu verdammen, ist einen guten Schritt weiter auf dem persönlichen Pfad zur Innovationsfähigkeit. Ab und zu ist es einfach wichtig, die rosarote Brille aufzusetzen und dem überkritischen Blick eine Auszeit zu gönnen. Es gehört also eine Portion Optimismus dazu, in neuen Entwicklungen das Positive zu sehen, anstatt das potentiell Bedrohende.
Ein gutes Beispiel für diese Haltung liefert in diesen Tagen Thomas Straubhaar ab. Der Hamburger Ökonom beschreibt in seinem neuen Buch „Die Stunde der Optimisten. So funktioniert die Wirtschaft der Zukunft“ sehr treffend die Anforderungen, die der Umbruch im Zusammenhang mit Digitalisierung und Big Data an uns alle stellt.
Im Interview mit dem „Spiegel“ sagt er: „Ich glaube fest, dass wir mit Digitalisierung und Big Data eine Riesenchance haben.“ Allerdings sei die Zeit der großen Masterpläne vorbei. „Wir erreichen unsere Ziele nicht, indem wir von oben große Agenden oder Zehnpunktepläne entwerfen.“ Dafür sei die Veränderung zu schnell und die Zukunft zu unsicher. Stattdessen plädiert Straubhaar dafür, auf die Fähigkeiten der einzelnen Menschen zu vertrauen.
Schließlich warnt er davor, ähnlich wie bei der Globalisierung zu stark nur auf Effizienz zu achten. Die Folge sei das Erstarken des Protektionismus. In der Debatte um die Digitalisierung und Big Data müsse man auch andere gesellschaftliche Ziele verfolgen.
Straubhaar: „Wir wissen alle nicht, was wird, dafür sind Tempo und Umfang der Veränderungen zu gewaltig. Aber was wir wissen, ist: Nur wer die Veränderung mitgeht, wird den Umbruch erfolgreich meistern.“
Dazu müssen die Menschen vieles neu lernen und manch liebgewordene Verhaltensweise über Bord werfen. Sie müssen schlicht fähig werden, innovativ zu sein.
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Michael Leitl
Director Strategy bei TOI. 15 Jahre betreute er Wissenschaftler und Berater bei der Veröffentlichung von neuen Innovations-, HR- und Marketing-Beiträgen bei der deutschen Ausgabe der Harvard Business Review. Er unterstützte das Innovationsteam des SPIEGEL-Verlags beim Aufbau des Innovationsmanagements und ist Mitgründer der Startups Pocketstory und Styled.by.