Deutschland gehört zu den innovativsten Ländern der Welt, mit vielen Mittelständlern, die auf ihrem Gebiet Weltklasse sind. Kein anderes Land kann so gut Erfindungen zu Geld machen; einer Untersuchung zufolge funktioniert das in 70 Prozent aller Fälle.
Das ist das Bild, das Manager seit Jahrzehnten weltweit von Deutschland haben. Doch das Bild verliert seinen Glanz, vergilbt wie eine alte Fotografie. Denn vor einigen Jahren begann ein Abwärtstrend, der Deutschland, Europa und die USA erfasst: Die Innovationsfähigkeit nimmt ab.
So beobachten die befragten Manager des GE Global Innovation Barometer 2018 eine drastische Verlagerung der Innovationsleistung von den kleinen und mittelständischen Unternehmen hin zu Multinationalen Konzernen. Auch das Image der kleinen und mittleren Unternehmen als Innovationstreiber wandert auf den Müllhaufen der Geschichte: 2014 glaubten noch 49 Prozent der Manager daran, 2018 nur noch 18 Prozent. Mit wenigen Ausnahmen vollzieht sich dieser Trend weltweit.
Clever tüfteln reicht nicht mehr
Höchste Zeit also, der Innovationsfähigkeit von Unternehmen und Menschen gezielt mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Es reicht heute eben nicht mehr, einen etablierten Entwicklungsprozess zu pflegen – und sich mit Produktverbesserungen auf einer guten Marktposition auszuruhen. Es reicht auch nicht, Innovationsmanager einzustellen, oder Innovationsevents zu organisieren.
Innovationsfähigkeit braucht mehr. Sie ist eine Haltung und beschreibt das Vermögen von Menschen und Organisationen, systematisch bedarfsgerechte Ideen und Konzepte zu entwickeln, neue Geschäftsmodelle zu etablieren, schnell zu Minimum Viable Products auszubauen. Und dann müssen diese getesteten Konzepte wirtschaftlich erfolgreich werden..
Dazu gehört ein ganzheitliches Verständnis von Innovation. Heute finden wir das am ehesten bei Unternehmensgründern, die all ihre Ressourcen in den Aufbau und die kundengerechte Entwicklung ihres Angebots stecken.
Acht Bestandteile der Innovationsfähigkeit
Die erfolgreichen Unternehmen berücksichtigen acht Dimensionen (siehe Grafik) für das Etablieren von Innovationen – sie sorgen dafür, dass ein Unternehmen vom Management bis zum einzelnen Teammitglied einem gemeinsamen Verständnis von Innovation folgt – und die eingesetzten Prozesse und Methoden auch nachweislich zum Ziel führen:
- Der Purpose, das ist die Motivation für Innovation. Hier fragen wir danach, was die Mitarbeiter beim Bestreben der Erneuerung antreibt. Bei Walt Disney zum Beispiel lautet diese Kurzformel „make people happy“.
- Die Innovationsstrategie, sie ist die Verbindung zwischen Unternehmensstrategie und den folgenden sechs Elementen. Hier wird festgelegt, wie (der Innovationsgrad), was (der Innovationsgegenstand) und wo (Marktsegmente) innoviert werden soll.
- Der Innovationsprozess regelt, wie aus Ideen konkrete Produkte, Dienstleistungen oder auch Prozessverbesserungen werden. Jedes Unternehmen hat hier seine Besonderheiten – daher wird der Prozess aus verschiedenen Elementen wie zum Beispiel Stage Gate und Design Thinking zusammengesetzt. Auch der Übergang zur Serienfertigung von Produkten wird hier geregelt.
- Die Innovationsorganisation regelt Entscheidungsprozesse und Rollen. Inzwischen gibt es hier sehr viele unterschiedliche Ansätze von der klassischen hierarchischen Struktur über agile Formen wie dem Spotify-Modell bis zu völlig selbstorganisierten Systemen wie zum Beispiel Holacracy. Was zum Unternehmen passt, ist sehr stark davon abhängig, wie erfahren die Teams mit selbstbestimmtem Arbeiten sind.
- Die Teams sind das Herzstück der Innovationsaktivitäten. Je nach Aufgabe können das temporär zusammengestellte Gruppen sein, oder spezialisierte Mitarbeiter, die kontinuierlich ein Innovationsprojekt nach dem anderen abarbeiten – und dazu Experten aus anderen Abteilungen bei Bedarf hinzuziehen. Entscheidend ist, dass klar definiert wird, wer was kann – und welche Fertigkeiten und Kenntnisse kombiniert werden müssen.
- Die Skills, die für eine Innovationsaufgabe nötig sind, variieren je nach Projekt und Ziel. Ein Grundset an Fähigkeiten gehört jedoch bei jeder Art von Innovation dazu: Unternehmerisches Denken, Problemlösungskompetenz, Kreativität und Durchhaltevermögen. Dazu kommen eine ganze Reihe weiterer zwischenmenschlicher, sozialer und technischer Kompetenzen sowie methodische Expertise.
- Das Environment bezeichnet die Räume und das Innovationsökosystem, das die Teams nutzen können. Wie gut die Umgebung für innovatives, kreatives Arbeiten beschaffen ist, hat großen Einfluss auf das Ergebnis. Die Umgebung beeinflusst kreative Leistung ebenso wie die Neigung der Menschen, mit anderen freiwillig zu kooperieren. Je nach Gestaltung der Gebäude und Inneneinrichtung ändert sich die Kultur über die Jahre – ganz ohne zutun von außen.
- Die Metrics sind ein Set an individuell für das jeweilige Unternehmen definierten Kennzahlen. Ob die Zahl der Innovationskonzepte pro Jahr, die Einreichungen bei Ideenwettbewerben oder ein Markterfolg nach einer bestimmten Zeitspanne hängt von der Innovationsstrategie und den übergeordneten Zielen des Unternehmens ab. Sie gehören jedoch als wichtiges Element dazu, um verifizieren zu können, ob das ganze Setup für die Innovationsfähigkeit auch tatsächlich funktioniert – oder ob es angepasst werden muss.
Unternehmen, die in den genannten Facetten ihre Hausaufgaben gemacht haben und die jeweiligen Fertigkeiten trainieren und weiterentwickeln, haben große Chancen, sich zu sehr guten Innovatoren zu entwickeln.