Seit 2001 hat sich das Konzept des Minimum Viable Products (MVP) weltweit verbreitet. Die Erfahrungen im Umgang damit und Veränderungen am Markt tragen dazu bei, dass neue Formen dieses Konzeptes entstehen. Teilweise sind sie eine Alternative zum MVP mit anderem Fokus und Ziel; manchmal aber auch eine Ergänzung. Sie bieten damit die Möglichkeit, im Entwicklungsprozess weiter voranzuschreiten. Wir stellen hier zwei neuere Varianten vor: das Minimum Loveable Product und das Minimum Marketable Product.
Das Spiel mit Emotionen: Das Minimum Loveable Product
Mehr und mehr Wettbewerber drängen mit Produkt- und Serviceideen in Form von MVPs auf den Markt. Dort ringen Sie um die zunehmend kürzer werdende Aufmerksamkeitsspanne der Kunden. Die Chance, ausreichendes Feedback zur eigenen Idee zu bekommen, sinkt und der für die erfolgreiche Weiterentwicklung nötige Lerneffekt reicht nicht mehr aus.
Das Minimum Loveable Product soll hier wieder zu mehr Engagement führen. Anders als bei einem Minimum Viable Product (MVP), bei dem es darum geht, mit minimalem Aufwand maximal viel zu lernen, geht es bei einem MLP darum, mit minimalem Aufwand maximal viel Liebe für das Produkt bei den Early Adopters zu erzeugen.
Daher wird bei einem MLP nicht nur in die Entwicklung des minimalen Featuresets investiert, sondern auch in Design und Nutzererlebnis. Auf diese Weise soll jede einzelne Interaktion mit potenziellen Kunden genutzt werden, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Wenn Design und Erlebnis schon beim ersten Berührungspunkt so ansprechend und überzeugend sind, dass der Kunde bei Freunden und Bekannten über das Produkt spricht, kann der Aufwand als Marketingausgabe betrachtet werden, die anfällt, noch bevor das tatsächliche Produkt auf dem Markt ist. Ein erhöhtes emotionales Involvement der Nutzer durch Liebe zum Detail erzeugt Loyalität mit jedem Schritt des Erlebnisses.
Der Härtetest am Markt: Das Minimum Marketable Product
Das Minimum Marketable Product ist eine Zwischenstufe zwischen MVP und fertigem reifen Produkt. Zur Erinnerung: In unserem ersten Beitrag dieser Serie haben wir beschrieben, dass das reine MVP laut Blank und Ries auch aus einer bloßen Landing Page bestehen kann, die den Eindruck des fertigen Produktes lediglich suggeriert. Nach ein paar Iterationen reift das Produkt zum MMP, eine effiziente und kompate Version. Sie besitzt noch immer einen minimalem Funktionsumfang, kann aber bereits als echte Leistung auf dem Markt angeboten werden. Diese gereifte Version wird auch Minimum Marketable Produkt (MMP) genannt. Sie folgt der Formel MVP1 + MVP2 + MVPn = MMP.
In diesem Stadium fällt bei einem MMP zusätzlicher Aufwand für den Launch an. Dazu gehören zum Beispiel Werbekampagnen, eine eventuell nötige Marktzulassung und vieles mehr. Nun kann anhand des konkreten Käufer-Feedbacks ermittelt werden, wie gut Produkt und Markt aufeinander abgestimmt sind. Nach und nach entsteht das finale Produkt durch weitere Anpassungen, neue Features, möglicherweise ein anderes Geschäftsmodell oder sogar durch einen totalen Richtungswechsel.
Ein großer Vorteil des MMPs liegt in einer verkürzten Markteinführungszeit und einer Reduktion des finanziellen Investments. So lässt sich Risiko minimieren. Das MMP hilft, den Fokus auf das Wesentliche zu legen, nämlich die Features und Funktionen, die für den Nutzer einen Unterschied zu bisher am Markt erhältlichen Produkten darstellen. Klarheit darüber, welche Features das sind, liegen durch die Erfahrungen mit dem MVP vor.
Ein gelungenes Beispiel für ein MMP beschreibt Roman Pichler hier.
Als Apple in 2007 sein erstes iPhone gelauncht hat, fehlten diesem erstaunlich viele Features, die bei den Wettbewerbern bereits vorhanden waren. Mit dem Smartphone konnten anfangs zum Beispiel keine Videos aufgenommen werden, sondern nur einzelne Bilder. Auch war es nicht möglich, Textnachrichten an mehrere Empfänger gleichzeitig zu senden. Dennoch war das Produkt ein grandioser Erfolg. Apple hat sich auf das Wesentliche konzentriert, auf das, was ihr Produkt vom Wettbewerb unterschied. Die vorhandenen Funktionen beschränkten sich auf eine ausgewählte Anzahl an Nutzerbedürfnissen. Die Nutzerführung war jedoch extrem einfach und intuitiv und bot ein ganz besonderes Nutzererlebnis, das sich vom Wettbewerb abhob. So konnten Sie das Produkt zügig auf den Markt bringen und den Funktionsumfang Schritt für Schritt erweitern.
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Maria Krüger
Innovation Strategist bei TOI. Maria ist studierte Wirtschaftspsychologin und hat einen Master in Business Development. Sie hat internationale Erfahrung in ethnografischer Nutzerforschung und der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen. Sie ist ein Spezialist in der Erstellung von Insights und nutzerzentrierter Konzeptentwicklung. Sie liebt es Workshops mit innovativen Methoden zu moderieren und die Gruppe durch die Phasen des Design Thinking Prozesses zu führen.