Das 21. Jahrhundert konfrontiert uns mit komplexen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Zwängen. Um das drohende Chaos in den Griff zu bekommen, müssen wir lernen innovationsfähig zu sein. Das heißt, wir verstehen Kreativität, Unternehmergeist und kritisches Denken zielgerichtet einzusetzen.
Obwohl kritisches und kreatives Denken komplementäre Herangehensweisen sind, sind sie doch eng miteinander verbunden. Ein Blick auf den Innovationsprozess zeigt, wie sich kritische und kreative Momente abwechseln, ergänzen und aufeinander aufbauen.
Um zu zeigen, wie dieser Wechsel stattfindet, nutzen wir in unseren Workshops den Double Diamond des British Design Councils als Grundlage innovativer Tätigkeiten.
In diesem Prozess wechseln wir zwischen konvergenten und divergenten Phasen. Mit diesen Phasen wechselt auch die Denkhaltung: zwischen offen kreativem und kritischem Denken.
Die erste Phase des Prozesses, die „Discover-Phase“ zeichnet sich durch ein offenes Mindset aus, und besteht darin, so viele Informationen wie möglich zu dem vorhandenen Problem und seinem Kontext zu sammeln und zu erforschen. Hier gilt jede Information als wichtig und relevant. Das Anhäufen von Informationen ist die Basis für eine kritische Auseinandersetzung.
Sieben Merkmale für Kritisches Denken
Am Ende der zweiten Phase, der „Define-Phase“ muss eine komprimierte und relevante Problemdefinition stehen. Dieses Kernproblem lässt sich nur durch kritisches Denken herausarbeiten.
Wichtig hierfür sind sieben Merkmale kritischen Denkens:
- Analyse: Die Fähigkeit Wissen und Informationen zusammen zu tragen und diese zu verarbeiten.
- Interpretation: Schlussfolgerungen über die Bedeutung gesammelter Informationen.
- Rückschluss: Beurteilung, ob das Wissen ausreichend und verlässlich ist.
- Evaluation: Die Fähigkeit, Entscheidungen auf Basis der vorhandenen Informationen zu treffen.
- Explanation: Die Fähigkeit, Erkenntnisse und Informationen verständlich aufzubereiten, zu teilen und zu kommunizieren.
- Selbst-Regulation: Die Fähigkeit, die eigene Denkweise kritisch zu hinterfragen.
- Open-Mindedness: Die Berücksichtigung anderer Perspektiven und Standpunkte.
Verschiedene Methoden und Tools können uns dabei helfen, diese Fähigkeiten zu vertiefen und erfolgreich anzuwenden.
Tool 1: Expectation Mapping
Das Tool Expectation Mapping hilft, die Erwartungen an einzelne Handlungsabschnitte eines Prozesses oder Services im Hinblick auf vier verschiedene Aspekte zu analysieren: sehen, hören, machen/sagen, denken/fühlen.
Mit Hilfe dieser Analyse können Problemräume erkannt werden, deren Optimierung zu einem verbesserten Gesamterlebnis beiträgt. Außerdem fällt eine abschließende Priorisierung der identifizierten Handlungsfelder durch die Betrachtung der verschiedenen Perspektiven leichter.
Expecatation Mapping hilft sowohl dabei, zu analysieren, zu interpretieren, Informationen besser darzustellen und zu kommunizieren als auch unterschiedliche Standpunkte einzunehmen und sinnvolle Entscheidungen zu treffen.
Tool 2: Jobs to be done
Ein ebenfalls sehr hilfreiches Tool ist die „Jobs to be done“-Methode. Die Aufgabe wird nach folgendem Muster beschrieben: „Wenn… (eine bestimmte Situation), dann möchte ich … (Motivation) so dass ich… (ein erwartetes Ergebnis)“. Ein Beispiel:
„Wenn ich einen Milchshake kaufe, möchte ich meine Fahrt zur Arbeit bereichern, so dass ich bis zur Mittagspause satt bin.“
Daraufhin werden die Jobs in Ziele aufgeteilt und mögliche Innovationsfelder abgeleitet.
Diese Methode ermöglicht es, neue Perspektiven einzunehmen, Informationen zu analysieren und zu interpretieren als auch tieferliegende Beweggründe zu identifizieren und so neue Innovationsfelder zu erkennen und auszuwählen.
Neben diesen beiden Tools stehen in der „Define-Phase“ eine Vielzahl an Tools zur Verfügung, welche differenziertes Denken unterstützen.
Nach dieser Phase kritischen Denkens folgt der Übergang zu dem zweiten Teil des Double Diamond. Die Denkhaltung wechselt von kritisch zu kreativ. Es wird erneut freier. Jeder Gedanke und jede Idee sind in dieser Phase wertvoll. Das heißt nicht nur der Horizont erweitert sich erneut, sondern auch die Anzahl der Informationen divergiert. In der „Develop-Phase“ wird nun also in Lösungen gedacht.
Die Vielzahl an entstandenen Informationen muss im nächsten Schritt des Double Diamond wiederum eingeschränkt werden. Das heißt unser Verstand wechselt in der „Deliver-Phase“ abermals die Richtung, von kreativ-offen zu kritisch-analysierend. Wir suchen nun eine Idee aus, schärfen diese, gestalten Prototypen und testen.
In dieser Phase können ebenfalls verschiedene Tools zur Hand gezogen werden, um eine kritische Betrachtung zu unterstützen.
Tool 3: Das Concept Sheet
Dieses Tool hilft das Konzept/die Idee klar zu beschreiben und zu kommunizieren. Die Idee wird erneut auf die Adressierung relevanter Nutzerbedürfnisse untersucht und der Mehrwert wird identifiziert. Ein Concept Sheet hilft so dabei, die Idee kritisch zu beleuchten und gegebenenfalls anzupassen.
Auch das Prototypisieren und Testen entstandener „Lösungen“ sollte mit einem kritischen Mindset geschehen.
Es ist nicht möglich (und auch nicht nötig), von heute auf morgen dass gesamte Denken auf „kritisches Denken“ umzustellen. Denn unsere spezifische Herangehensweise an Probleme haben wir über unser gesamtes Leben erlernt und wurde von unseren dabei gemachten Erfahrungen bestimmt. Das Kritische Denken lässt sich am besten anhand praktischer, konkreter Aufgaben lernen und üben. Der Innovationsprozess bietet hierfür sowohl eine perfekte Herangehensweise als auch vielerlei Tools als Hilfestellung.
Vor allem derzeit sollten wir uns in Anbetracht von populistischen Strömungen und Massenhysterien der Relevanz dieser Fähigkeit bewusst werden. Denn kritisches Denken ist neben der Grundlage für Bildung, Innovation und nachhaltigem Wirtschaften auch etwas, dass demokratische Gesellschaften verteidigen müssen.